Siebeneinhalb Stunden hat es am Mittwoch, 04.11.22 gedauert, bis sich ein Mann, der drohte, von der Riedbachbrücke bei Viechtach (Landkreis Regen) in den Tod zu springen, überzeugen ließ, aufzugeben. Der Einsatz stellte auch für die Einsatzkräfte eine Ausnahmesituation dar.
Um 10.18 Uhr vormittags sind sie am Mittwoch alarmiert worden. Erst knapp acht Stunden später ist der Einsatz an der Riedbachbrücke bei Viechtach für die Frauen und Männer von Polizei, Feuerwehr und Rotem Kreuz beendet gewesen. Dazwischen lagen Stunden des Bangens und angespannten Wartens. Das oberste Ziel aller war es zu verhindern, dass ein Mann, der sich auf die Brüstung der Riedbachbrücke gesetzt hatte, in den Tod springt. Letztlich gelang dies. Der Lebensmüde konnte dazu bewegt werden, sich helfen zu lassen. Doch bis dahin verging Zeit. Viel Zeit.
Die Hauptverkehrsader B85 war gesperrt: lange Umleitung
Über sieben Stunden war die Bundesstraße 85, eine der Hauptverkehrsadern des Bayerischen Waldes, auf Höhe Viechtach komplett für den Verkehr gesperrt. Feuerwehrleute übernahmen das großräumige Absperren der Einsatzstelle. Dazu mussten neben der B85 auch Bereiche des Sporerwegs und der Galgenhöhe voll gesperrt werden.
Das hatte Auswirkungen für Tausende Verkehrsteilnehmer – für die, die von der B85 abgeleitet werden mussten, und für alle anderen, die oftmals viele Kilometer Umleitungen fahren mussten. Es kam zu einem langen Stau in der Viechtacher Innenstadt, selbst in der Mönchshofstraße standen die Autos am Vormittag längere Zeit. Im Verkehrsfunk wurde nach einer Alarmierung durch das Polizeipräsidium Niederbayern dazu geraten, den Bereich Viechtach großräumig zu umfahren. Währenddessen mussten die Einsatzkräfte auf der Riedbachbrücke oben und an der Galgenhöhe unten schauen, dass die Lage nicht eskaliert.
Wie berichtet, hatte sich ein Mann gegen 10 Uhr auf die Brüstung des Viaduktes gesetzt, die Beine in die Tiefe baumeln lassen und mit dem Sprung in den sicheren Tod gedroht. Alle Bemühungen, den Unbekannten von seinem Vorhaben abzubringen, scheiterten bereits im Ansatz. Der Mann lehnte über Stunden jegliche Kontaktaufnahme, auch mit geschulten Kräften, ab und verbat sich jede Annäherung. Immer wieder blickte er in den etwa 15 Meter tiefen Abgrund auf eine darunterliegende Ortsstraße, mitunter streckte er ein Bein aus, zog dann aber wieder zurück.
Das war auch für die insgesamt 45 Feuerwehrleute der alarmierten Wehren Viechtach, Schlatzendorf, Prackenbach und Kollnburg um Kreisbrandinspektor Christian Stiedl und Kreisbrandmeister Thomas Penzkofer, für das BRK-Team mit Notarzt, Rettungswagenbesatzung und Einsatzleiter Stefan Bachl und für laut Polizeipressesprecherin Kathrin Hiller insgesamt knapp ein Dutzend Polizeibeamte der Polizeiinspektion Viechtach und des Polizeipräsidiums Niederbayern eine Ausnahmesituation.
Wie in Übungen geprobt, bauten Feuerwehrleute die Drehleiter auf und brachten einen so genannten Sprungretter unter der Riedbachbrücke in Stellung. Zudem standen in Absturzsicherung geschulte Feuerwehrkräfte bereit für den Ernstfall. Auch das ehrenamtlich tätige Kriseninterventionsteam des BRK rückte an.
Anwohner versorgten die Einsatzkräfte mit Essen und Getränken
Neben der nervlichen Anspannung spürten die Einsatzkräfte – je länger die Gefahrensituation andauerte – auch Kälte, Erschöpfung, Hunger und Durst. Wie Kreisbrandmeister Tobias Ertl, der Pressebeauftragte der Kreisbrandinspektion Regen, auf VBB-Nachfrage mitteilte, organisierten die Führungskräfte der einzelnen Feuerwehren eigenverantwortlich, dass ihre Leute abgelöst werden von weiteren Mitgliedern der Aktivenmannschaft, während das BRK-Team – bestehend aus dem ehrenamtlichen Einsatzleiter Stefan Bachl, der Besatzung eines Rettungswagens und einem Notarzt – den ganzen Einsatz über vor Ort blieb. Ehrenamtliche Rotkreuzler besetzten in dieser Zeit die Rettungswache, um im Ernstfall mit einem zweiten Rettungswagen auszurücken.
Ihre Kollegen, die Feuerwehrleute und auch die Polizeibeamten an der Einsatzstelle wurden vom Team des „Werkstod Kafä“ und von Anwohnern kostenfrei mit Kaffee, Tee, Kuchen und Wurstsemmeln versorgt. Die Verteilung der Speisen und Getränke übernahmen Feuerwehrleute. Ihren Kameradinnen und Kameraden, die an neuralgischen Punkten die Verkehrslenkung übernahmen, brachten Mitglieder der Wehren Stärkung vorbei.
Gegen 17.30 Uhr, nach siebeneinhalb Stunden, gelang es für derartige Einsatzlagen geschulten Polizeikräften, den Mann zu überzeugen, „die Brücke zu verlassen und sich in Obhut der Polizei zu begeben“, wie die Polizeisprecherin berichtete. „Somit konnte die Gefahr für die Gesundheit und das Leben der Person abgewendet werden, auch wenn sie selbst verursacht wurde“, teilt Hiller mit. Obwohl er den Einsatz selbst ausgelöst hatte, hat der Mann keine strafrechtlichen Konsequenzen zu befürchten. „Nach aktuellem Stand werden keine Ermittlungen anlässlich einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit geführt“, teilte sie mit. Die polizeiliche Aufgabe habe ausschließlich in der Abwehr von Gefahren für die Person und Unbeteiligte bestanden.
Mann muss wohl für Einsatz nichts bezahlen
Auch für die Kosten des Polizeieinsatzes muss der Mann, der zwischenzeitlich in ein Bezirkskrankenhaus eingeliefert wurde und dort ärztlich versorgt wird, nicht aufkommen. Da es sich bei der Gefahrenabwehr und beim Leben retten um „eine originäre Aufgabe der Polizei“ handle, werden keine Kosten erhoben.
Weil sich der Mann in einer psychischen Ausnahmesituation befunden habe und der Einsatz dazu diente, unmittelbar Leib und Leben zu retten, werden wohl auch von Seiten der Feuerwehr keine Kosten geltend gemacht werden können, schätzt Dr. Ronny Raith, Justiziar des Kreisfeuerwehrverbandes die Lage ein.
Das Rote Kreuz wird nach Angaben von Einsatzleiter Stefan Bachl den Rettungswagen-Einsatz mit der Krankenkasse des Mannes abrechnen, wie bei jedem anderen Patienten, während Bachl selbst, das Kriseninterventionsteam und die Rettungswachen-Reserve unentgeltlich im Einsatz waren.
Auch wenn der siebeneinhalb Stunden dauernde Einsatz nervlich aufreibend war und Kraft gekostet hatte, haben ihn die Einsatzkräfte wohl gut weggesteckt. Die Rotkreuzler hatten dieses Mal laut Einsatzleiter Bachl keinen Bedarf an einer Supervision.
Die Aktiven der Feuerwehr besprachen den Einsatz noch am Mittwochabend im Gerätehaus der Feuerwehr Viechtach nach. Von Seiten der Polizei heißt es dazu: „Den eingesetzten Polizeibeamten werden nach dem Einsatz entsprechende Hilfs- und Betreuungsangebote gemacht. Sofern diese Angebote gewünscht und erforderlich sind, werden (…) entsprechende Maßnahmen getroffen.“ Manchmal könne aber bereits das Gespräch mit den Kollegen untereinander sehr hilfreich sein, belastende Ereignisse zu verarbeiten, erklärte Polizeisprecherin Hiller.
Quelle Text und Foto: PNP
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